Tagungsbericht Northeim

Freitag

Ein prächtiges Kuchenbuffet erwartete die Teilnehmer der 23. Jahrestagung im Corvinianum-Gymnasium in Northeim. Wer bereits an der literarischen, sehr kundigen Stadtführung durch Northeim teilgenommen hatte, wusste dies ebenso zu schätzen wie die Teilnehmer, die erst zur Mitgliederversammlung um 17.00 Uhr aus Deutschland und den angrenzenden Ländern eintrafen.

Zunächst standen die formellen und nach dem Vereinsrecht notwendigen Formalien an, die zügig gemeistert wurden. In der Mitgliederversammlung wurde der Vorstand zunächst entlastet und dann in identischer Besetzung für zwei weitere Jahre wieder gewählt. Wie bereits 2007 in Darmstadt diskutierte man lebhaft über die Zukunft der GASL. Immer noch steht die Frage im Fokus, wie weitere und jüngere Mitglieder für eine aktive Mitarbeit im Verein gewonnen werden können. Nachdem in Darmstadt zwei neue Webmasterinnen gefunden wurden, die in der Zwischenzeit die Website vollständig überarbeitet haben, konnte in Northeim eine neue Redakteurin für das „Schauerfeld“ präsentiert werden. Hendrike Witt will insbesondere den Kontakt zu Seminaren an den Universitäten suchen, um so interessante Autoren und Artikel zu gewinnen.

Für die Herausgabe des Jahrbuchs wird dringend ein neuer Lektor gesucht, da Rudi Schweikert –der leider nicht anwesend war – aufgrund anderer Verpflichtungen diese Aufgabe nicht mehr allein bewerkstelligen kann. Im Anschluss hieran entwickelte sich eine Diskussion darüber, welchen Grad an Professionalität man für eine solche Aufgabe erwarten könne und wolle; und was auf „Bewerber“ eher einschüchternd bzw. abschreckend wirke.

Dieter Noering stellte dann die Frage, in welche Richtung sich die zukünftigen Jahrestagungen entwickeln sollen: wieder hin zu mehr vortragslastigen Veranstaltungen, da sich aus diesen Beiträgen das Jahrbuch speist oder eher in Richtung eines geselligen Events, das dem persönlichen Austausch zwischen den Mitgliedern dient. Für 2009 wurden Basel oder Heidelberg als Tagungsorte vorgeschlagen. Bei einer offenen Abstimmung im Plenum bekamen beide Destinationen in etwa gleich viele Stimmen. Der Vorstand wird nun prüfen, was insbesondere aus finanzieller Sicht günstiger für die Mitglieder ist. Für 2010 kam Braunschweig ins Gespräch.

Wie bereits in Görlitz fand die Tagung auch die Aufmerksamkeit der Politik vor Ort. Harald Kühle, der Bürgermeister der Stadt Northeim, begrüßte auf sehr persönliche Art und Weise die Tagungsteilnehmer und Hartmut Fischer als Organisator der Tagung. Für die musikalische Begleitung des abendlichen Programms konnte er die Jazzband der Schüler und Schülerinnen des Corvinianum, sowie einen Männerchor aus 5 Vertretern des Lehrerkollegiums gewinnen, die souverän und swingend den Weg für Gerd Schubert ebneten.

Dieser widerlegte in seinem Vortrag „Weinlese auf Tristan da Cunha“ die These, dass es sich bei der Insel Felsenburg um die Insel Tristan da Cunha handelt, da auf dieser Insel aufgrund ihrer Kargheit kein Weinanbau möglich sei. Vielmehr könne es sich um die Insel „Saxenburg“ handeln, die südlich von Tristan da Cunha auf alten Karten noch verzeichnet ist und später aus den Atlanten dieser Welt verschwunden sei. Mittlerweile trägt noch ein Weingut in der malerischen Region Stellenbosch in Südafrika diesen Namen, dessen Gründung auf Auswanderer aus dem Deutschland des 17. Jahrhunderts zurückzuführen sei. Die in der Vortragspause durchgeführte Verprobung eines wuchtigen Cabernet Sauvignon 2004 (“A classic wine with layers of ripe blackcurrant and cassis fruit combined with a penetrating ripe tannin finish) vom Weingut Saxenburg (http://www.saxenburg.com/index.php) hinterließ bleibenden Eindruck und den Wunsch bei den Teilnehmern, im Tal von Stellenbosch den Spuren von Kapitän Wolffgang und Albertus Julius nachzuforschen.

Hervorzuheben ist auch die AG Figurentheater des Corvinianum. Diese interpretierte ein Gedicht von Christian Morgenstern sehr launig und unter Verwendung der erstaunlichsten Hilfsmittel und erhielt dafür kräftigen Beifall. Schließlich ging es zu einem späten Abendessen in das Hotel „Schere“, in dem bei lebhaften Gesprächen der Abend beendet wurde.

Samstag

Am nächsten Morgen startete das Tagungsprogramm der GASL zu ungewohnt früher Stunde,. Anstatt traditionell um 9 Uhr den Samstag mit einem geruhsamen Vortrag beginnen zu lassen, versammelten sich insgesamt 47 GASL-Mitglieder und -Freunde – passend zur Örtlichkeit pünktlich um 8 Uhr 15 – auf dem zugigen Schulhof des Corvinianum und starteten mit dem Bus in Richtung Sondershausen in Thüringen.

Im dortigen Schloss angekommen, wurden die Teilnehmer von Frau Ilbrig, der Vertreterin des Vorstands der Wezel-Gesellschaft begrüßt, die in dieser Stadt ihren Sitz hat und sehr mit Nachwuchssorgen zu kämpfen hat. Dank ihrer Vermittlung konnte der schöne und aufwendig restaurierte Theatersaal des Schlosses für den nächsten Tagungsordnungspunkt genutzt werden. Cornelia Ilbrig gab einen profunden Einblick in den Inhalt von Johann Karl Wezels „Belphegor oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne“ oder wie Arno Schmidt schrieb: ein „Buch des ehrwürdigsten Gott-, Welt- und Menschenhasses“. Neben der anschließenden Stadtführung durch Sondershausen von Frau Ballhause die sich dem Vortrag von Frau Ilbrig anschloss, gab es Gelegenheit für individuelle Erkundungen der Stadt, da bis zur Abfahrt des Busses ausreichend Zeit verblieb.


Schloss Sondershausen

Punkt 13 Uhr 30 ging es – begleitet von den fachkundigen Anmerkungen Hartmut Fischers zu Land und Leuten – weiter in das malerisch gelegene alte Städtchen Stolberg. Dort angekommen, wurde auf verschiedenen Wegen (über Treppen, Sammeltaxis, Serpentinen) der steile Weg zum (leider in großen Teilen noch sehr renovierungsbedürftigen) Schloss Stolberg gemeistert. In dem bereits restaurierten Trakt ist das neu eingerichtete Schnabel-Zimmer untergebracht, dessen Exponate neben der Darstellung von Leben und Werk Johann Gottfried Schnabels auch Bezug auf die Arbeiten von Arno Schmidt zu diesem Schriftsteller und der Insel Felsenburg nehmen. Leider bestand nicht die Möglichkeit, sich mit den Mitgliedern der dort ansässigen Schnabel-Gesellschaft im „Stolberger Hof“ zu treffen, da diese dort nur einmal im Jahr im November „schnabulieren“. Gestärkt mit Kaffee und Kuchen oder geistigen Getränken ging es dann um 17 Uhr nach Northeim zurück.

Nach einer kurzen Erholungspause trafen sich die Teilnehmer um 20 Uhr im Foyer des „Theater der Nacht“ wieder. Die Aufführung der „Regentrude“ – eine Figurentheater-Adaption des Stückes von Theodor Storm -überzeugte u.a. durch eine originelle Bühnenkonstruktion. Auf einem großen Himmelbett agierte Theater-Chefin Ruth Schmitz als Puppenspielerin und zauberte nebenher mit Hilfe einer genial-einfachen “Schnürboden-Technik” aus Kissen, Decken etc. passende Bühnenbildlandschaften. Ausgestattet mit dem Wassersegen der Puppenspielerin und nach den Worten des Feuermanns („Dunst ist die Welle, Staub ist die Quelle …“), durstig geworden, ging es dann zum späten Abendessen in das Hotel „Goldener Löwe.

Sonntag

Traditionell startete der nächste Tag dann wieder um 9 Uhr im Heimatmuseum Northeim mit einem Vortrags-Programm. Als passende Kulisse diente hier die Ausstellung „Rund ums Schreiben“ des Burgdorfer Sammlers Hans-Hubertus Lenz mit ihren vielen schönen Exponaten. Dietmar Noering informierte – wie schon auf der letzten Jahrestagung in Trier – über die aktuellen Ergebnisse seiner Studien zu „Zettels Traum“ und warb bei den Teilnehmern, sich doch (wieder) einmal dieses Werk „anzutun“. Sein lebendiger und humorvoller Beitrag „Daniel Pagenstecher, Erzieher“ wird sicherlich dazu führen, dass sein Appell nicht ungehört bleibt.

Wichtig und hilfreich für viele interessierte Leser wäre sicherlich die von ihm erwähnte Inhaltsangabe je Seite, die anscheinend bereits fertig gestellt ist. Hier ist zu hoffen, dass Herr Noering diese in einem ersten Schritt bald den interessierten Arno Schmidt Lesern zur Verfügung stellt und nicht wartet, bis er alle literarischen Verweise auf den entsprechenden Seiten in Zettels Traum gefunden hat.

Josef Huerkamp, der im Anschluss zu dem Thema „(ist ein Zitat; woher?!) …. Zitierendster. “Die große Kartei…“ referierte, verblüffte die Anwesenden mit der These, dass theoretisch jeder einzelne Satz oder Satzbestandteil im Werk von Arno Schmidt ein Zitat sein könnte. Hierzu führte er verschiedenste, erstaunlichste Beispiele an, die seine These unterstützen sollten. Die anschließende Diskussion verlief erwartungsgemäß lebhaft…

Die vergnügliche Lesung Hermann Wiedenroths aus Wielands „Abderiten“ brachte dieses von Arno Schmidt geliebte Buch auch Nichtkennern nahe. Wie üblich wurde die Tagung mit einem Schlusswort des Vorsitzenden offiziell beendet. Die anschließende Führung durch die Ausstellung „Rund ums Schreiben“ für die man den Sammler persönlich hatte gewinnen können, bot die Gelegenheit für einen krönenden Abschluss und schönen Ausklang.

Kersten Marunde, Heike Sondermann, Ruth Wachholz

PS: Ein besonderer Dank an dieser Stelle an Hartmut Fischer, der diese Tagung liebevoll und kompetent organisiert hat.