16. Jahrestagung

Vom 28.–30. September 2001 fand in Berlin die 16. Jahrestagung der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser e. V. (GASL) statt.

Tagungsleitung und verantwortlich für das wissenschaftliche Vortragsprogramm: Rudi Schweikert (abwesend; vertreten durch Herrn Noering); Organisation: Ulrich Schuch.

Die Tagungsstätte der Jahrestagung war das Literaturhaus in der Fasanenstraße, nur wenige Schritte vom Kurfürstendamm entfernt.

Die Mitgliederversammlung

Herr Noering berichtete über die Aktivitäten der GASL im verflossenen Jahr; erwähnt wurden u.a. Veranstaltungen im Rahmen der ALG (Dachverband der GASL) und ein Seminar des Heinrich-Heine-Instituts über die Jahrbücher literarischer Gesellschaften. Nach einer Aussprache und Regelung vereinsinterner Angelegenheiten wurde Herr Julian Bose von der Mitgliederversammlung als neuer Schatzmeister der GASL gewählt.

Die Vorträge (in zeitlicher Reihenfolge)

Die Zusammenfassungen wurden freundlicherweise von den Referenten zur Verfügung gestellt.

Thomas Körber
»Nur für Verrückte«. Der Steppenwolf Hermann Hesses bei Arno Schmidt
Der Vortrag verfolgt die »Steppenwolfspuren im Heidesand« und bietet als ›Schmankerl‹ Arno Schmidts berühmt-berüchtigte Postkarte an Hermann Hesse.

Steffen Fahl
»Die Lagerung der Worte im Gehirn« unter neurobiologischen Gesichtspunkten. Zu Arno Schmidts literarischer Abbildung von Bewußtseinsvorgängen.
Schmidts wiederholt proklamiertes Interesse an der Abbildung von Bewusstseinsvorgängen in der Literatur zeigt tatsächlich eine Reihe einsichtiger, literarisch, sprachlicher gefasster Konzepte des menschlichen Bewusstseins. Sie scheinen im Detail den Erkenntnissen der jüngeren Neurowissenschaften viel näher stehen, als den Freudschen Modellen auf die sich Schmidt verschiedentlich stützt. In der Perspektive der Theorie der neuronalen Netze etwa bietet der Moment der Assoziation und seine Funktionsmechanismen eine Reihe neuer Erklärungsansätze sowohl für die Oberflächen, wie für denkbare Grundstrukturen schmidtscher Texte. Lesemodelle, die die von der Kognitionswissenschaft erarbeiteten Bewusstseinskonzepte für die literarische Deutung fruchtbar machen, dürften gerade bei Schmidt neue Ansätze für den Umgang mit den von ihm erprobten Texturen ermöglichen.

Friedhelm Rathjen
Lieb mich du. Arno Schmidt als Übersetzer von John Lennon
Im August 1964 fragt Robert Gernhardt im Auftrag des Verlags Bärmeier und Nikel bei Arno Schmidt an, ob er nicht John Lennon übersetzen wolle. Schmidt will nicht, schützt Arbeitsüberlastung vor und reicht das mitgeschickte Lennon-Buch zurück. Auch Schmidts Auslassungen in »Zettel’s Traum« über die Beatles lassen nicht erwarten, daß es Berührungspunkte zwischen Schmidt und Lennon gegeben haben könnte. Doch das sind alles Ablenkungsmanöver! Tatsächlich gab es früh Kontakte zwischen den beiden Wortkünstlern, und Schmidt hat heimlich doch einiges von Lennon übersetzt. Im Rahmen des Vortrags werden u. a. präsentiert: eine Beatles-Schallplatte mit handschriftlichen Bemerkungen Arno Schmidts, eine Schmidt-Porträtzeichnung von John Lennon sowie Seiten aus »Arno Schmidts Arbeitsexemplar von In His Own Write by John Lennon« und Schmidts fragmentgebliebener Lennon-Übersetzung »Ein Spaniel wird (v)erwürk/gt«.

Gregor Strick
Willenlos kreisend. Eine Lektüre von Arno Schmidts »Windmühlen«
Der Lektüre von »Windmühlen« stellt sich – neben der Komplexität dieses Textes – zweierlei entgegen, zunächst einmal die langjährige Lese- und Deutungstradition des Dechiffrierens. Sie blockiert die Textbetrachtung; das Dechiffrieren geht ja nicht auf den Text, sondern bestenfalls auf dessen Intertextualität ein. Sehr unglücklich wirkt sich hier – wie auch für die übrigen Texte von »Kühe in Halbtrauer« – zudem die Festschreibung auf die Gattung der »Erzählung« aus, die der Sammeltitel der »Bargfelder Ausgabe«, »Ländliche Erzählungen«, vornimmt. Im ersten Schritt meiner Lektüre führe ich vor, daß in »Windmühlen« eine gezielte Depotenzierung erzählerischer Grundformen stattfindet, es sich bei diesem Text also um eine kunstvolle Anti-Erzählung handelt. Im zweiten Schritt soll gezeigt werden, daß »Windmühlen« im Sinn einer »Meta=Litteratur« strukturelle Selbstreflexion leistet. Mit den Mitteln der Fiktion reflektiert der Text elementare literarische Bedingtheiten (Wahrnehmen, Signalisieren, Verstehen). Er entpuppt sich als eine Desillusionierungsmaschine, die dem Leser jede seiner Deutungen aus der Hand schlägt. »Windmühlen« begibt sich in die Rolle Sancho Pansas: Der Text will den Leser zur Selbstkritik, zur Hinterfragung seiner quichotesken Optik zwingen.

Oliver Jahn
»Ein Ingenieur, der Brücken entwirft«. Arno Schmidts »Berechnungen« im Kontext der experimentell-konstruktiven Poetiken der 50er Jahre.
Der Vortrag musste leider entfallen.

Wolf-Dieter Krüger

Arno Schmidt und Halbau

  1. Die Urlaubsreisen der Familie Otto Schmidt von Hamburg nach Liegnitz und Halbau.
  2. Die Genealogie der Familie Schmidt in der natürlichen und politischen Landschaft der Lausitzen, sowie Biografisches aus Weißensee mit einem kurzen Blick nach China.

Einige Dias sollen das Vorgetragene illustrieren.

Das Rahmenprogramm

Das Rahmenprogramm bot zwei Theateraufführungen nach Texten Arno Schmidts und eine mehrstündige Exkursion literarisch-historischen Schwerpunkten.